Donnerstag, 6. Juni 2013

Neu-Brundisium, Nacht

Abermals versuchte er gegen die viel zu engen Lederfesseln anzukämpfen. Sie gaben keinen Haarbreit nach, schnürten ihn ein, nahmen ihm die Luft. Und diese war sowieso eng begrenzt, nachdem dieser Mann in der Mönchsrobe ihm diese bizarre Lederapparatur über Mund und Nase geschnallt hatte. Paul spürte wie sich der Schweiß unter der ledernen Halbmaske sammelte, es fühlte sich unangenehm warm und stickig an. Nur durch einen dünnen Lederschlauch kam noch etwas frische, kühlere Luft, die er röchelnd einsog.
Kühle, leichenblasse Finger huschten erneut über sein Gesicht und rüttelten probeweise an der Lederkonstruktion, zupften an dem Schlauch und ließen dann endlich von ihm ab.
Unwillkürlich überlief ihn ein Zittern und er spürte wie sich die Härchen an seinem Körper aufrichteten.

Zufrieden betrachtete Balduin den fest verschnürten Menschen, der seinen ruhigen Blick aus schreckgeweiteten Augen erwiderte.
Alles war bereit - diese Nacht würde endlich der Durchbruch gelingen und sich ihm völlig neue Möglichkeiten öffnen. Wissen, Ruhm, Respekt - alles war auf einmal in greifbare Nähe gerückt.
Dieses Experiment musste glücken und sein in den letzten Jahren erworbenes Wissen und die daraus resultierenden Theorien bestätigen. Und es würde! Es war alles so logisch... wenn man genau darüber nachdachte. Ein unwillkürliches Schaudern kroch seinen ohnehin schon kalten Rücken hinab als er an all die Fehlgeleiteten dachte, die Jahrzehnte ihres Lebens und Unlebens mit erfolgloser Sucherei verbracht hatten. Warum sollte man auch mit völlig belanglosen Leichen herum hantieren wenn man sich doch eigentlich für den Tod selbst interessierte?

Nur noch ein Teil der Versuchsapparatur fehlte und er wendete sich unwirsch zu der Tür des behelfsmäßig in einem hölzernen Hafengebäude untergebrachten Laboratoriums um.
"Mirjam! Wo bleibt die verdammte Ratte?!"
Hektische Geräusche kündeten von einer wilden Jagd, bevor er die junge Frau überhaupt erblickte, die unbeholfen mit einem Stock in den Schatten herumstocherte. Vollkommen abgelenkt verlor sie ihr Gleichgewicht und landete bäuchlings auf dem Boden.
"Sie ist zu schnell!" beschwerte sie sich schmollend und drehte ihm das durch eine beeindruckende Narbe gezeichnetes Gesicht zu.
Sein Grinsen ließ die spitzen Eckzähne malerisch im hellen Mondlicht aufschimmern. "Manchmal wundert es mich wirklich wie du dich ernähren kannst, Kind." Sorgfältig verriegelte er die Tür des zweckentfremdeten Lagerraums hinter sich und trat zu ihr.

"Schließe die Augen und versuche deine Sinne zu stärken. Versuche deine Ohren hellhöriger zu machen, deinen Blick zu schärfen und deine Umwelt auch mit der Nase zu erfahren."
Sie schenkte ihm ein leichtes Lächeln und senkte gehorsam die Lider, während sie völlig unnötig einen tiefen Luftzug nahm. "Hm.... ich höre was aber rieche nichts."
Balduin senkte seine ohnehin schon ruhige Stimme zu einem leisen Flüstern: "Dann konzentriere Dich auf das Geräusch. Könnte es von einer Ratte stammen? Hörst Du das Kratzen von Barthaaren an Stein? Das Trippeln kurzer Krallen auf unebenem Boden? Das hektisch pochende Herz eines Nagetieres?"
Anstrengung zeigte sich auf ihrem Gesicht und sie schürzte die Lippen: "Ja - sie sie ist wohl in der Nähe."
Gespannt beobachtete er sie: "Dann versuch sie genau zu lokalisieren. Überlege wie viele Schritte Du wohl brauchen würdest um sie zu überraschen. Und wenn Du Dir sicher bist: Schlag zu!"
Unwillkürlich zeigte ihr Finger in eine Ecke und legte sich dann verschwörerisch auf ihre Lippen. Langsam pirschte sie sich wie eine Katze in die angegebene Richtung, machte einen plötzlichen Satz.

Als sie die Hand wieder hob zappelte dort eine fette Ratte hilflos an ihrem langen Schwanz.
Kurz blitzte echter Stolz in seinen Zügen auf: "Sehr gut, das ist genau das Gefäß was wir brauchen - Tiere eignen sich hervorragend. Sie verfügen über keine eigene Seele und eine frische körperlose Seele sehnt sich nach der Wärme des Blutes."
Breit grinsend musterte sie die Ratte, welche sich verzweifelt in ihrer Hand wand und laut quiekte: "Sieh nur wie sie kämpft , sie ist stark nicht wahr? Genau richtig."
Ein knappes, bekräftigendes Nicken. "Sie wird ihren Zweck erfüllen. Befestige sie gut am Lederschlauch am Ende der Apparatur."

Tief in Gedanken versunken öffnete er die Tür und hielt sie ihr auf: "Ich hoffe dass die Seele mit dem letzten Atemzug in die Apparatur und durch diesen Schlauch auch tatsächlich zur Ratte kommt." Der Sterbliche auf dem Tisch wurde sich seiner Sterblichkeit gerade sehr bewusst, als die beiden zu ihm traten und Mirjam die Ratte ungeschickt am anderen Ende der Vorrichtung anbrachte. Zitternd starrte er dabei auf die gelben Nagezähne, die der Frau eben noch zwei Bisswunden und einige Kratzer eingebracht hatten.
Während die Wunden wie von Zauberhand verschwanden blickte sie wieder zu ihrem Mentor: "Bist du dir sicher das es funktionieren wird?"
Seine Stimme klang nachdenklich und sein Gesicht verschwand fast im Schatten der weiten Kapuze seiner Robe: "Es wäre ein echter Durchbruch in der Forschung, wenn wir die Seele auch für nur einen Moment aufbewahren und so für weitere Experimente verfügbar machen könnten. Stell dir nur die Möglichkeiten vor.."
"Und dann versuchen wir die Seele in ihr zu finden und werden diesen kleinen Körper sezieren ? Ich bin mir sicher die anderen werden ihre Häupter neigen vor dir." Ihre Stimme klang nicht ganz überzeugt, aber die Aussicht auf eine mögliche Vivisektion füllte sie mit Enthusiasmus.
Seine dürren Finger tätschelten fast liebevoll über die schweißbedeckte Stirn des zukünftigen Seelenspenders, der nicht wirklich erbaut über seinen Beitrag zur modernen Forschung war. "Die Seele zu finden wird immens schwierig sein - gerade weil die meisten Körper leider absterben während man noch sucht und so der Seele ein entweichen möglich machen. Aber Du darfst ihn", er tätschelte den Mann erneut, "gleich gerne sezieren, wenn Du magst." Er dachte an die letzten lebhaften Diskussion in Erciyes. "Bei den letzten Versammlungen kristallisierte sich immer wieder die Meinung heraus dass ein Teil der Seele im sterblichen Körper zurück bleibt - und es ist auch eine gute Übung.
Wichtig ist das der Tod jetzt langsam eintritt damit die Seele Zeit hat sich zu sammeln und vorzubereiten. Welche Methoden bieten sich hierfür an?"

Voller Freude glänzten ihre Augen auf und es sprudelte nur so aus ihr hervor: "In den Büchern war ein Mann abgebildet dem ein Eimer auf dem Bauch gebunden war in dem eine Ratte saß . Sein Henker hat den Eimer mit Feuer erhitzt und die Ratte versuchte sich durch den Körper zu beißen."
Über so viel Kreativität verzückt blicke er zu ihr: "Der Tod wäre gewiss lang und qualvoll, aber wir würden wohl die Ratte dabei verschrecken."
"Wir müssten sie nur raus schneiden, es sollte sie nur ängstigen nicht töten." ihr flehentlicher Tonfall glich dem eines begeisterten Kindes. "Bitte, lass es mich versuchen."

Ein leises Kratzen erfüllte die Stille als er über den nie weichenden Bartschatten an seinem Kinn strich: "Ich mache mir ein wenig Sorgen um die Geräuschentwicklung. Hier am Hafen wird ja einiges übertönt.. aber es wäre doch ein wenig auffällig. Wir sollten diese Art von Experimenten doch besser aufschieben bis wir endlich einen vernünftigen Platz für unser Labor haben. Aber wir werden einen Test starten, versprochen. Vielleicht finden wir durch diese neue Todesart ja auch neue Erkenntnisse?"

Zum Entsetzen des zur völligen Bewegungslosigkeit verdammten Mannes folgte ein leidenschaftliches Gespräch über die Vor- und Nachteile der einzelnen Todesarten, in der die Frau mit einer beinahe boshaften Kreativität brillierte, während der Mann das Ganze eher pragmatisch nüchtern sah.

"Ich denke wir sollten langsam handeln, sonst stirbt er womöglich an Herzversagen" unterbrach sie die Diskussion.

Der Rest ging erstaunlich schnell. Ein flacher Schnitt, eine Prise eines unscheinbaren Pulvers aus einem Lederbeutel - und gespannte Erwartung.
Fasziniert beobachteten die beiden ihr Versuchsobjekt, welches mit schmerzverzerrtem Gesicht immer weiter verkrampfte. Balduin beugte sich noch weiter vor und seine Stimme vibrierte vor Aufregung: "Da! Hörst du wie der Herzschlag langsamer wird und der Atem anfängt zu stocken?"
Ihre Antwort war nur ein kaum hörbares Flüstern: "Das Unangenehmste daran ist, dass die sich in diesem Moment immer in die Hosen machen".

Wild hämmerte das kleine Herz der Ratte und die Schnurrhaare zitterten vor Furcht. Adrenalin durchflutete ihren Körper, alle Muskeln waren bis zum äußersten angespannt. Feuchtigkeit kondensierte aus der warmen Luft auf ihrem weichen, glänzendem Fell und sie spürte wie sie langsam abrutschte. Ein zarter Lufthauch streifte fast zärtlich ihre Schnauze, als der Sterbende seinen letzten Atemzug aushauchte.

Ein aufgeregtes Aufkeuchen, dann griff eine klauenartige Hand hektisch in ihre Richtung. Beinahe wahnsinnig vor Schreck zappelte sie wild, glitt endgültig aus der beklemmenden Konstruktion und stürzte zu Boden. Kaum spürte sie die harten Steine unter sich, begann sie panisch loszupreschen - das Geschrei der beiden Gestalten trieb sie nur noch mehr an. Von der Angst beflügelt hetzte sie aus dem Schuppen in die engen, stinkenden Gassen der nächtlich-finsteren Hafenmetropole, dicht gefolgt von ihren übermenschlich schnellen Häschern.
 
Fast wäre ihr die Flucht gelungen.

Sonntag, 7. Oktober 2012

Der Angriff

Gerüchte schwirrten durch die Stadt wie ein Schwarm wütender Hornissen. Worte huschten von Mund zu Mund, mit jeder Wiederholung schien der Skandal noch abscheulicher, böser und... unterhaltsamer zu werden. Schon die Namen der Beteiligten ließen dem mittellosen Plebs einen wohligen Schauer über den Rücken laufen. Und so war es nur eine Frage der Zeit bis die Erzählungen die Taverne erreichten und die Wirtin erzittern ließen.
Sie verfluchte Sabrina, während sie die Gäste verscheuchte und die Tür der Taverne vorzeitig schloss. Wäre diese völlig verwöhnte Sklavin von Quintus nicht so krank geworden dass Vaia im Ludus aushelfen musste, hätte Faba nicht auf die Einnahmen von heute verzichten müssen. Aber das hier war wichtiger, so viel wichtiger.

Raschen Schrittes eilte sie durch die Stadt um schließlich vor Tiberius' Tür anzuhalten und hektisch zu klopfen. Ungeduldig lauschte sie mit wild schlagendem Herzen, aber kein Laut war zu hören. Sie rüttelte unruhig an der Klinke der Tür, nur um nach vorne stolpernd festzustellen dass diese gar nicht abgeschlossen war. Ihre lauten Rufe durchschnitten die Stille und endlich vernahm sie eine zögerliche Antwort. Florinas Stimme - die Bäckerin war also wirklich beim Medicus untergebracht worden. Schluchzend warf sich diese in die Arme ihrer Freundin.

Die letzten Tage hatten sichtbare Spuren an der Bäckerin hinterlassen. Faba machte sich selbst heftige Vorwürfe, weil sie vor lauter Trubel um Taverne und Familienleben so wenig Zeit für sie gefunden hatte. Grimmig gab sie sich selbst das Versprechen dieses ab jetzt zu ändern.
Sanft auf sie einredend versuchte sie die große Frau zu beruhigen und führte sie aus dem so beklemmend nach Medizin und Krankheit riechenden Domus des Medicus nach draußen in den großen Park. Aber der warme Schein der Abendsonne, das Gezwitscher der Vögel und das duftende weiche Gras unter ihnen bekam etwas Irreales, als sie nach und nach realisieren musste, dass die Gerüchte stimmten. Sie versuchte ihrer Freundin aufmunternd zuzulächeln, während ihre eigenen Gedanken wie wild rasten.

Florina hatte Maja angegriffen und verletzt. Der Überfall und die dadurch entstandenen hohen Reparaturkosten hatten die frischgebackene Bäckerin in die Geldnot getrieben. Ein Umstand, der sich nicht dadurch besserte, dass ihr die reichen Bürger Brundisiums lieber wertvolle Geschenke als Geld gaben - Geschenke, die sie nicht veräußern konnte ohne dass der Verdacht des Diebstahls auf sie fiel. Und da war der Streit mit Farshid gewesen, der sich über die Qualität ihrer Waren beschwerte. Die arme Maja, die ihr nur gefolgt war um ihr zu helfen, hatte schließlich ihren gesamten Zorn zu spüren bekommen.

Das klang alles gar nicht nach der Freundin die sie einst kannte. Aber die Not konnte Menschen verändern - Faba hatte es in den Tagen, als die Krankheit über ihre Familia hereinbrach, zu oft gesehen. Sie erinnerte sich an die Heftigkeit mit der Florina Msanaa angegriffen hatte. Nun, vielleicht wäre alles besser wenn man die Not erst einmal gelindert hätte. Wenn sie doch nur für sie da gewesen wäre..

Aber jetzt war sie ja hier. Sie reichte ihr ein Tuch um ihre Tränen zu trocknen und lud sie in die Taverne ein. Das vertraute Kochen würde ihr gewiss helfen wieder zu sich zu finden. Eiligen Schrittes ging sie schon einmal vor um alles vorzubereiten, während Florina sich herrichtete.

Schief pfeifend öffnete sie die Tür der Taverne und legte in der Küche schon einmal alles für das anstehende Festmahl bereit. Sie wartete lange, aber Florina kam einfach nicht. Seufzend entzündete Faba eine Kerze und bereitete wenigstens schon einmal einen Obstsalat zu, um sich etwas abzulenken.
Zaghaft machte ihr schlechtes Gewissen wieder auf sich aufmerksam und so stieg sie die hölzernen Treppenstufen zu den Privaträumen hinauf. Behutsam hob sie das lose Dielenbrett an, das über ihrem geheimen Versteck lag. Sorgsam aufgerollt lagen dort ihre wichtigsten Dokumente und die Beutel mit ihrem Geld. Sanft schimmerte das Gold im schwachen Licht der Kerze, als sie den ersten Beutel öffnete. Wie viel Florina wohl brauchen würde? Leise klimperten die Geldstücke, als die Wirtin sie schnell zählte. Derart abgelenkt vernahm sie nicht die vorsichtigen Schritte auf der Treppe und schaute erst hoch, als sie leise Worte vernahm. Ein kalter Schauder lief ihren Rücken hinab und sie erstarrte, unfähig sich auch nur einen Millimeter zu bewegen.

Den plötzlichen Schmerz des eindringenden Messers spürte sie in ihrem Schock kaum. Ein letztes Mal öffneten sich ihr Mund, aber anstelle von Worten verließ nur ein warmer Blutstrahl ihre Lippen. Ein kurzes Zucken, dann erstarrte sie und kippte leblos nach vorne.

Samstag, 25. August 2012

Sonntagskleidung

Nachdenklich legte sie die zwei neuen Tuniken in die Truhe und strich noch einmal liebevoll über den glatten, leichten Stoff. Wie zart sich das Leinen anfühlte - so ganz anders als die schlichte Wolle, die sie den größten Teil ihres Lebens über getragen hatte. Ein weißes und ein grünes Gewand, beide mit wunderschön gearbeiteten goldenen Verzierungen. Maja hatte sich mal wieder selbst übertroffen. Wild tobte in einer gut versteckten Ecke von Fabas Kopf ihr schlechtes Gewissen, das sich über ihre Putz- und Verschwendungssucht mokierte.

Dabei bereitete ihr das Kaufen soviel Vergnügen. Sie liebte es, die Schneiderei zu betreten und ihren Blick unauffällig über all die schönen Stoffe und Farben gleiten zu lassen. Dann die Aufregung, wenn die Römerin das neue Stück fertig drapiert hatte und sie es endlich anschauen durfte. Schließlich der Höhepunkt: Das erste vorsichtige Hineingleiten in das neue Gewand, Majas kritischer Blick und zupfende Fingerspitzen bis alles letztendlich richtig saß.

Natürlich war die Schneiderei auch genau der richtige Ort um ruhig und von den Männern ungehört ein wenig zu plaudern. Zuerst drehte sich erst einmal alles um die anstehende Hochzeit, aber dann sagte die Schneiderin etwas, das Faba völlig verwirrte.

Jemand hatte Corinus schlimm zugerichtet. Dieser Mann hatte nicht nur selber als Gladiator gekämpft sondern verfügte zudem noch über eine kleine, schlagkräftige Privatarmee in Form des ersten Ludus der Stadt. Eine Person wie ihn anzugreifen erschien ihr leichtsinnig und gefährlich. Glücklicherweise glaubte Maja dieses mal nicht an eine Verwicklung von Quintus in diese Angelegenheit. Was womöglich das Rätselhafteste an der ganzen Geschichte war.

Der Rest der Plauderei drehte wich wie so oft um die Gladiatoren und Kämpfe. Es war sowieso schon längst Zeit für einen neuen Kampf, immerhin hatte es ja diverse Neuerwerbungen gegeben, die sich alle noch in der großen Arena von Brundisium beweisen mussten. Leider ließ sich Maja auch nichts über "ihren" neuen Gladiator entlocken, selbst sein bevorzugter Kampfstil war ihr unbekannt. Das Publikum konnte sich so wohl auf einige Überraschungen gefasst machen.

Geräuschvoll klappte sie den Deckel der Truhe hinab und griff noch einmal zu der Wachstafel um ihre Notizen zu überfliegen: "Pflaumen, Äpfel, Zitronen, Birnen, Trauben und eingelegte Oliven".

Majas Geschmack war in letzter Zeit wirklich eigenartig geworden. Die meisten ihrer Gäste bevorzugten etwas Deftiges oder Süßes, die Schneiderin stand mit ihrer neuen Leidenschaft für süß-saure Oliven so ziemlich alleine da. Faba würde Vaia dennoch das Rezept geben und diesen eigenartigen Salat in das übliche Angebot aufnehmen. Geld war Geld.

Freitag, 24. August 2012

Unerwartete Reaktionen

Lange und genüsslich auszuschlafen ohne sich von dem Stöhnen und Keuchen der Männer ablenken zu lassen, die unten ihre schweißglänzenden Leiber im hellen Licht der Morgensonne bewegten - dass war bis jetzt ein unvorstellbarer Luxus gewesen. Träge flatterte sie mit den Augenlidern und streckte sich wohlig. Ihre vorsichtig tastende Hand fand neben sich nur kühle Leere - mehr Platz um sich noch einmal genüsslich zu räkeln bevor es galt dem frisch angebrochenem Tag die Stirn zu bieten.

Natürlich aber erst nach einem reichhaltigem Frühstück im Bett. Ob Quintus daran gedacht hatte als er ihr Vaia geschenkt hatte? Das Mädchen hatte sich als eine wirklich gute Hilfe in der Taverne erwiesen und ihr damit viele Sorgen genommen. Ein Lächeln huschte über ihr noch leicht verträumtes Gesicht. Die Griechin müsste vielleicht noch lernen nicht alles allzu wörtlich zu nehmen - einige ihrer Gäste sagten mitunter sehr zweideutige Dinge und das dürfte durchaus zu einigen interessanten Situationen führen.

Voller Stolz hatte sie heute die kleinwüchsige Sklavin ihren Gästen vorgestellt. Und der war durchaus berechtigt gewesen, wenn sie an das kleine Körbchen dachte, welches Vaia so geschwind und geschickt für Claudia zusammengestellt hatte. Nachdenklich runzelte Faba die Stirn. Eigentlich wollte Claudia ursprünglich ein paar Leckereien in der Bäckerei erstehen, um ihre Freundin Maja etwas aufzumuntern, der es offensichtlich nicht gut ging.

Es kam ihr seltsam vor das die Bäckerei schon geschlossen war, aber Florina erwies sich in letzter Zeit als sehr eigenwillig. Immer häufiger taten sich breite Lücken in ihrem Angebot auf und auch die Qualität ihrer Backwaren ließ zu wünschen übrig. Und die Launen der Bäckerin waren ihr immer öfters ein echtes Rätsel. Seit ihrer Rückreise aus Tarentum hatte sich etwas verändert, aber sie konnte beim besten Willen nicht sagen was die Ursache war. Sollte es aber von Dauer sein, so fürchtete sie das schlimmste für die Bäckerei.

Gestern war ihr sowieso fast jeder seltsam vorgekommen. Angefangen hatte es ganz harmlos mit dem Medicus, mit dem sie sich über ihre neue Errungenschaft unterhalten hatte. Sie hatte ihm gerade erzählt, dass sie gedachte Vaia regelmäßig etwas für ihr Peculium zu geben um ihre hohe Motivation zu erhalten. Was beflügelte mehr als die Sehnsucht nach Freiheit? Die Sklaverei war nützlich und notwendig, aber sie hielt nichts davon die Sklaven unnötig in Furcht und Schrecken erstarren zu lassen. Es gab einfachere, subtilere Methoden sich ihrer Loyalität und ihres Arbeitseifers zu versichern und die Aussicht, sich eines Tages selbst Freikaufen zu können, erschien ihr da mit Abstand am sichersten.

Hach, Freiheit... wie Möwen die um ein Fischerboot schwärmten kreisten ihre Gedanken um dieses Thema. Unvorstellbar das sie jetzt schon wieder ein angehendes Ehepaar unter sich hatten. Kaum hatte sie diesen flüchtigen Gedanken ausgesprochen, reagierte der Medicus ausgesprochen komisch.

Es verwirrte sie, dass er nicht informiert war, hatte sie doch bis jetzt immer gedacht, dass ihn und Farshid eine echte, tiefe Männerfreundschaft verband. Dass er ihm noch nicht einmal einen kurzen Brief mit der frohen Botschaft geschrieben hatte war schon eigenartig. Und die Reaktion auf das Gehörte noch seltsamer. Tiberius wirkte mehr geschockt als erfreut, etwas was sie bei einem so guten Freund nicht erwartet hatte. Eine Ehe führte zu einer Reihe von Einschränkungen und einem ganzen Bündel neuer Pflichten, aber dennoch kam ihr die Reaktion reichlich unangemessen vor.

Er wirkte fast dankbar als Corinus mit Maja erschien und ihn um ein vertrauliches Gespräch baten. Maja wirkte wirklich etwas nervös und ein wenig blass um die Nase, während Corinus sich in rätselhaften Andeutungen erging: "Entschuldige uns kurz bitte Faba. Ich will nur keine Hoffnung ins Land brüllen, wenn die Brunnen vielleicht doch trocken bleiben."

Wenigstens Claudia wirkte recht normal, als sie wieder in der Taverne aufkreuzte, kurz gefolgt von Farshid. Corinus hatte dem Pärchen seinen Segen gegeben, es bedurfte so wohl nicht mehr viel bis die Hochzeit vollzogen werden konnte. Dennoch schien auch hier ein Schatten über dem frischgebackenem Paar zu liegen, ihr war das Zittern seiner Hände nicht entgangen als er seinen Weinbecher entgegen nahm. Sie versuchte das lebhafte Gespräch der beiden zu überhören, aber es gelang ihr nicht ganz. "Katastrophe", "Skandal" - das waren nicht gerade die Worte die sie mit beginnendem Eheglück verband. Aber was ging es sie an?

Sie gähnte noch einmal ausgiebig, bevor sie vorsichtig ein Bein ausstreckte um nach dem Boden unter dem Bett zu tasten. Vorhanden. Beruhigt platzierte sie nun auch ihr zweites Bein daneben und setzte sich auf. Zumindest auf ein paar Dinge konnte man sich verlassen.

Wieder schweiften ihre Gedanken zu der Nacht davor zurück. Die Nacht in der Farshid einfach so in ihrer Taverne umgekippt war ohne überhaupt wirklich etwas getrunken zu haben. Die ganze Hektik...

Bis dahin hatte es eigentlich so ausgesehen dass es ihm wieder besser gehen würde, nachdem er sich mit Tiberius unten am Hafen unterhalten hatte. Die Stimmung in der Taverne war auf jeden Fall nicht mehr so angespannt gewesen und Claudia, Farshid, Maja und Tiberius hatten sich fröhlich unterhalten.

Nunja, in den Händen von Tiberius war Farshid auf jeden Fall gut aufgehoben und es würde ihm gewiss bald besser gehen. Maja hatte der Besuch beim Medicus offensichtlich ja auch geholfen.

Laut rief sie nach Sabrina. Zeit sich dem neuen Tag zu stellen.

Montag, 20. August 2012

Kinderwünsche

Sie mochte ihn nicht. Mit noch tropfnassen Haaren war sie soeben vom Bad zurück in die Taverne gekehrt, nur um verblüfft festzustellen dass die beiden Lanistae und dieser Kerl sich bereits dort eingefunden hatten.

Sein Körperbau mochte viel versprechend sein, aber ihr gefiel sein Blick nicht.
"Laut Aussage von seinem Vorbesitzer ist er ein ganz besonders Wilder, schwer zu kontrollieren." - Quintus Worte ließen das Schlimmste befürchten. Sie hoffte dass er da wirklich wusste was er tat. Die Blicke, die er ihr und der frisch eingetroffenen Maja zuwarf, zogen die beiden Frauen förmlich aus und sie ertappte ihn dabei, wie er ihnen ungeniert in den Ausschnitt starrte.
Sie seufzte leise: "Es fehlt ihm noch ein wenig an Erziehung."

Während die beiden Frauen schnell genug von diesem so unverschämt starrenden Redonen hatten, wurde Quintus es nicht leid über seine Neuanschaffung an reden.
"Ja, ein Wilder ohne Manieren, ein Barbar, wie alle Gallier." Faba schenkte ihm einen bitterbösen Blick und vorsichtshalber noch einen gut gezielten Tritt gegen das Schienbein.
Er reagierte erstaunlich überrascht: ""Was, der Kerl hier ist ein Wilder!"
Ihr Tonfall war leise, aber die Aussprache überdeutlich als sie sich ihm zuwandte: "Wie alle Gallier?"
Quintus beugte sich grinsend zu ihr: "Ich rede von Männern, nicht von den Frauen."
Demonstrativ verschränkte sie die Arme vor der Brust was ihr Dekollete (zur Freude des anscheinend schon gelangweilten Galliers) auf eine durchaus nette Art und Weise hoch drückte bevor sie noch einmal spitz nachfragte wie es denn nun um die Frauen bestellt wäre.

Quintus lächelte sie süffisant an: "Sie sind auch Wilde, aber ganz woanders."
Sie erwiderte honigsüß sein Lächeln: "Verzeih meine Fragen, aber ich möchte nur wissen was Du Deinen Kindern später über ihre Großmutter erzählen wirst."

Amüsiert bemerkte die Wirtin wie nervös Maja von den ehelichen Neckereien wurde und schon nach dem Geldbeutel griff. Immer noch lachend versicherte das Paar ihr dass sie auf keinen Fall stören würde.
"Es klang sehr nach einem Gespräch, das mehr unter vier Augen geführt wird" erklärte sie sich.
Freundlich blickte Faba sie an: "Wünscht sich nicht jeder Kinder?"

Wer hätte gedacht das sie damit die größte Überraschung des Abends schon vorweg genommen hatte?

Unaufhörlich drehten sich ihre Gedanken um das Thema, als sie sich im Dunkeln auf den Weg nach Hause machte. Es kam nicht oft vor das sie die Taverne vor den Gästen verlies, aber das hier war eine... Ausnahme. Sie gönnte dem frischverliebten Pärchen die sowieso immer viel zu knapp bemessene Zeit, erst recht wenn noch nicht feststand ob der Pater familias überhaupt sein Zugeständnis geben würde.

Dennoch malten sich beide in den schönsten Farben ihre Zukunft aus. Zehn Kinder.
Das klang nach viel schweißtreibender Arbeit.

Aber Claudia und Farshid würden das schon schaffen.

Sonntag, 12. August 2012

Aggressionen und Besorgungen

Zart und rosig fühlte sich die weiche Haut unter ihren Fingerspitzen an und sie senkte den Kopf, um den verlockenden Duft tief einzuatmen. Das Wasser lief ihr im Mund zusammen als sie sich vorstellte, ihre scharfen Zähne genüsslich in das süße Fleisch zu schlagen während der aromatische Saft ihre Lippen netzte.
Fröhlich ließ sie sich direkt einen ganzen Beutel dieser köstlichen Pfirsiche geben und drehte sich um, als sie den freundlichen Gruß des Ehepaares Granatus vernahm. Sie waren wohl gerade auf dem Weg zu ihrer Taverne und die Wirtin nahm gerne das Angebot an, ihr beim Tragen der Einkäufe behilflich zu sein. Erleichtert stellte sie fest das sich die Stimmung zwischen den beiden offensichtlich gebessert hatte; Corinus Wunsch nach mit Wasser verdünntem Wein schien ihr da ein sehr zuverlässiger Indikator zu sein. Als er sie alleine in die Küche begleitete um die Einkäufe abzustellen, nutzte sie die Chance ihm eine leise Warnung zuzuraunen: "Sei vorsichtig... und nutze mich bitte nicht das nächste mal als Ausrede wenn du in einem so desolaten Zustand nach Hause kommst." Maja tat ihr leid und es ging ihr gehörig gegen den Strich, das "ihre" Gäste mit ihrem verwahrlosten Zustand die Taverne in einen so schlechten Ruf bringen sollten. Es war vielleicht nur eine einfache Hafenkneipe, aber immer noch besser als der gewissenlose Ausschank minderwertigen Fusels wie sie in den zahlreichen billigen Bordellen hier betrieben wurden.

Aber der eheliche Frieden sollte nicht lange wären. Faba hatte ihnen gerade ihre Bestellung gebracht und es Maja überlassen, den Wein für die beiden fachgerecht mit Wasser zu mischen, als es wieder losging. Die Wirtin hatte sich gerade zu ihrem Mann an den Nachbartisch gesetzt, als jemand laut losspuckte und fluchte.
"Ich bin doch kein Rindviech was Wasser trinkt!" - es war Corinus Stimme, die laut seinem Unbill Luft machte. Die Antwort seiner Frau war äußerst kühl: "Du wolltest Wasser, schon vergessen?" "Nein! Ich wollte Wein mit Wasser, nicht Wasser mit Wein. Mach dir keine Sorgen um dein Kleid - DAS gibt NUR Wasserflecken."

Und als ob es das Startsignal für weiteres Chaos war, griff dieses langsam aber sicher um sich. Florina rannte mit einem Korb voller Brötchen, die Faba für ihre Taverne bestellt hatte direkt gegen die breite Brust des ersten Lanistas und verlor über die Hälfte ihrer frischgebackenen Fracht. Der neue Gladiator des Ludus Granatus half ihr zwar sie aufzulesen, aber die schmutzbedeckten Semmeln waren offensichtlich nicht mehr für den Verkauf geeignet. Maja rauschte mit funkelnden Augen und mit roten Weinflecken durchnässter Robe davon, nur um kurz darauf mit provokant freizügiger Kleidung wieder zu erscheinen. Und Thalab misshandelte den guten Würzwein, den sein Dominus ihm ausgegeben hatte, auf barbarische Art und Weise.

So war es kein Wunder, dass sich die allgemeine Stimmung nach und nach aufheizte. Und so dauerte es auch nicht lange bis die beiden ältesten Streithähne mal wieder ihrer liebsten Beschäftigung nachgingen.
Corinus hatte stolz seinen Neuerwerb - Anaeus - vorgeführt, dessen Fähigkeiten er vollmundig anpries und gleich einen Übungskampf mit Thalab vorgeschlagen. Natürlich schaukelte sich die Gemüter hoch und schnell war man wieder mit den gewohnten Beleidigungen zur Hand.
"Ein einfacher Dachdecker will mir erzählen ich hätte keinen Blick für einen guten Gladiator.....geh wieder Dächer decken Corinus, das kannst du besser!" stichelte Quintus.
"Ja Quintus, ich mag Dachdecker gewesen sein, und ich bin sicher, ich decke so einiges besser als du. Dennoch erkenne ich einen guten Kämpfer wenn ich einen sehe. Also was ist, feige?"
"Ich weiß das du der Decker in Brundisium bist, es wird ja genug erzählt in den Strassen."
Faba fragte sich warum das ganze Wortduell auf Kosten von Maja ausgetragen werden musste. Aber anscheinend machten die Gerüchte wohl schon die Runde und die sonst so sanfte Frau konnte sich wohl noch auf einiges gefasst machen.

Die verbale Auseinandersetzung der beiden Lanista ging nicht ohne Spuren an den Gladiatoren vorbei, die sich schon die ganze Zeit argwöhnisch gemustert hatten. Aufgeregt wippte der Neue auf den Fußspitzen, während Thalab grimmig die Knöchel knacken ließ.

Und dann die erlösenden Worte von Quintus an seinen besten Kämpfer: "Hau diesen Gladiator um!" Dieser nickte freundlich: "Wie Du mögen, Dominus" und flog wie alle anderen von der Sim.

Nachdem sich die Taverne nach und nach geleert hatte blieb die Wirtin alleine mit ihrem Mann zurück. Auch er hatte sich einen neuen Gladiatoren gekauft, der bald bei ihm eintreffen würde. Ein Gallier, blass, hellhaarig und wild der bereits einige Erfahrung als Gladiator sammeln konnte.
Ihre Mutter war auch Gallierin gewesen - gut konnte sie sich noch an das hellgelbe Haar, die milchfarbene Haut und die blitzenden blauen Augen erinnern die den ihren so unähnlich waren. Schnell verdrängte sie den Gedanken und erkundigte sich nach der bevorzugten Kampfart. Schwert und Schild oder direkt zwei Schwerter. Damit hätte der Ludus keinen Retarius mehr, da Msanaa dafür nach Capua gehen sollte. Aber Quintus wusste bestimmt was er tat und ihr war es lieb, wenn die furchtbaren Tierhatzen erstmal aufhörten. Und sie hätte ihr Versprechen gehalten - der Gladiator konnte da wie gewohnt um sein Leben kämpfen und wäre vorerst nicht den Widrigkeiten des harten Lebens eines Steinbruchsklaven ausgesetzt.

Verlegen bat sie ihn um einen Gefallen und war ihm dankbar als er ihre Hand ergriff um sie zu einem Ort zu führen vor dem sie sich um mehr als alles andere fürchtete. Ein Gang der zu lange schon fällig war und ihr dennoch ihr Herz wie wild pochen ließ.
Während er sich geschäftig dem Händler zuwendete und direkt auf das Anliegen zu sprechen kam, musterte sie erstmal mit großen Augen das Angebot. Dürr erschien es ihr und sie wandte sich schließlich einer Frau zu, die ein wenig abseits vor einem Metallkäfig stand.

Höflich beantwortete sie die neugierigen Fragen während Quintus skeptisch ihren Leib musterte. Vaia hieß sie, stammte aus Syrakus und beherrschte neben dem fließend gesprochenen Latein zudem Griechisch. Nach all den furchtbaren Jahren mit ihrem griechischen Hauslehrer wollte sie mit dem Volk eigentlich nichts mehr zu tun haben, aber diese hier konnte dadurch zumindest ein wenig lesen und schreiben. Was sich neben ihrer Erfahrung als Küchensklavin als durchaus nützlich erweisen konnte.

Das Ehepaar sah sich an, kam zum selben Ergebnis und Quintus stürzte sich in die Verhandlung mit dem Sklavenhändler. Wild gestikulierte er, schimpfte, verhandelte, schimpfte weiter und drohte schließlich, bis aus den ursprünglich geforderten 300 Denaren 90 wurden. Voller Stolz betrachtete sie ihren Mann mit klopfendem Herzen.
Eine eigene Sklavin - etwas woran sie früher nie gedacht hätte. Als Geschenk ihres Mannes - sie konnte ihr Glück gar nicht fassen und fiel ihm in die Arme.

Das würde ihr Leben stark verändern - aber ihr wohl auch ein wenig der ersehnten Ruhe bringen. Mal sehen wie sie sich machen würde.

Mittwoch, 8. August 2012

...mit dem Tag am Meer...

Wütend gellte der Schrei der Möwe durch den Hafen. Wild flatternd stürzte sie sich auf eine Artgenossin, die gerade behände ein Stück Fisch aus einem Fischernetz stibitzt hatte und nun stolz mit ihrem Raub dahinsegelte. Der Zusammenprall war heftig. Schrille Schreie zerfetzten die vorher so anheimelnde Ruhe des Hafens und Federn lösten sich, als sich die Angegriffene mit wildem Flügelschlag gegen den hackenden Schnabel der Kontrahentin zu wehren versuchte. Dann Ruhe, als die Gegenwehr auf einmal verstummte und der Fischkadaver aus den erschlaffenden Gliedern sank und zu Boden stürzte.
Sie kniff die Augen zusammen um die Einzelheiten besser erkennen zu können. Etwas stimmte nicht - der Schlag der Flügel stockte, der ganze Vogel geriet ins Trudeln und sank in unregelmäßigen Wirbeln nach unten. Viel zu schnell und ungebremst. Verglichen hiermit wirkte der kühne Sturzflug der anderen Möwe harmlos, die sich gekonnt die umkämpfte Beute schnappte und davonflog.
Jetzt war sie es, die schrie, als der leblose Kadaver direkt vor ihren Füssen dumpf aufprallte. Ihr Bein zitterte, als sie ausholte und den blutbefleckten Körper schnell von der Kaimauer in das undurchsichtige Dunkel des Hafenbeckens beförderte. Mit schreckgeweiteten Augen starrte sie nach unten und erblickte den frischen Blutfleck, den das ganze Ereignis auf dem hellen Leder ihrer abgelaufenen Schuhe hinterlassen hatte.

Bei den Göttern, was war das gewesen? Es jagte ihr immer noch kalte Schauer den Rücken hinunter. Trotz des warmen Tageslichtes wirkte es so unwirklich...
Sie wusste, dass dem Flug der Vögel eine sehr hohe Bedeutung zukam und man aus ihm die Meinung der Götter zu diversen hochwichtigen Staatsangelegenheiten ablas. Rom hielt sich zahlreiche Fachleute, die sich auf diese hoch komplizierte Fähigkeit verstanden. Es wäre natürlich nicht Rom gewesen, wenn man sich nicht zusätzlich durch Priester absicherte, welche die Zukunft aus den Eingeweiden von Opfertieren erkennen konnten.
Wäre Quintus doch hier gewesen, er kannte sich doch immer so gut mit allen Dingen aus. Gewiss hätte er eine einfache und logische Antwort gewusst und sie beruhigt.

Mit verstörtem Gesichtsausdruck begab sie sich zu ihrer Taverne ohne ihre Umgebung überhaupt wahrzunehmen. Verzweifelt versuchte sie dort den Blutfleck abzuschrubben, aber er erwies sich als hartnäckig. Vielleicht hatte Sabrina ja heute Nacht mehr Erfolg als sie. Seufzend begann sie sich auf den heutigen Abend vorzubereiten und die vertraute Routine gab ihr zumindest einen Teil ihrer Ruhe zurück.

Ein lautes Stimmengewirr holte sie aus ihrer Trance. Corinus und Maja diskutierten lautstark in Gegenwart des Tribuns und sie trat neugierig hinzu.
"Salve Faba, ich komm gleich zu dir die Rechnung begleichen." begrüßte sie der Lanista, während Maja mit sehr brummiger Miene daneben stand. Verwirrt blickte sie ihn an, behielt aber geflissentlich ihr Lächeln bei und antwortete selbstsicher "Gewiss."
Geld war immer gut, speziell wenn er überhaupt nichts dafür in Anspruch genommen hatte. So wie es klang war der Mann tatsächlich in Nöten - nichts was sich nicht ausnutzen ließe!
"Wenn ihr mich entschuldigen würdet, ich sollte meine Hände waschen, ich habe da was angefasst was meinem Mann nicht passte." Majas Satz war ebenso schnippisch wie unverständlich als sie davon rauschte. Was war da los?

"Wer hätte ja auch ahnen können das der Abend so teuer werden würde.. ganze neun Sesterzen..."probierte Faba ihr Glück.
Er lachte leise: "Sie glaubt es nur nicht, sie denkt ich war bei einer Hafenhure." Daher wehte also der Wind!
Nun lachte auch der Tribun: "Und warst du?"
"Nein, ich bin doch was besseres gewöhnt als diese gewöhnlichen Flittchen."
Die Wirtin fand, dass sie es Maja schuldig war den Preis unter diesen Umständen anzuheben: "Wie kommt sie denn auf so eine Idee? Ich kann felsenfest bezeugen das du für elf Sesterzen besten Wein bei mir getrunken hast."
"Eben waren es noch neun. Faba, hab ich was verpasst?"
Sie blickte ihn mit gespielter Unschuld an: "Oh, du musst dich verhört haben..."

Wo auch immer er sich herumgetrieben hatte, sein Kater war auf jeden Fall echt. Nicht ganz ohne Hintergedanken erzählte sie den beiden von Quintus Katerbekämpfungsmaßnahmen, die sofort auf helle Begeisterung stieß. Ebenso wie der neue tarentinische Wein, der endlich eingetroffen war. Wer hätte gedacht das der Vater des Tribuns auch ein Landgut besaß auf dem Wein angebaut wurde? Und er versprach ihr ein oder zwei Fässer davon zu besorgen! Das war wirklich großzügig von ihm und sie freute sich schon darauf den unbekannten Tropfen zu kosten.
Die Taverne füllte sich schnell noch weiter und Dank Serenas tatkräftigem Einsatz hatte sie dennoch Zeit, sich ein wenig mit ihren Gästen zu unterhalten. Trotz der Erwähnung des horrenden Geldbetrages den Corinus bei ihr angeblich versoffen hatte war Maja nach wie vor sehr ungehalten - oder gerade deswegen? Dennoch wendete sie sich der Wirtin zu und sprach sie auf den offenen Auftrag an:
"Ich habe da noch ein Gewand, das ich fertig stellte, das aber nie abgeholt wurde. Es sollte dir passen" Faba stockte der Atem: "Ohh... von wem denn?"
Ein breites Lächeln, dann die knappe Antwort: "Agape".
Als sich die Wirtin wieder von ihrem fürchterlichen Hustenanfall erholt hatte und ihre Gesichtsfarbe sich normalisierte, bot sie ihr an das gute Stück in der Schneiderei anzuschauen. Schnell versuchte sie die eben eingetroffene Tamara als Hilfswirtin einzuweisen, aber das schien keine rechten Früchte zu tragen. Als Gladiatorin mochte sie ungeschlagen sein... als normale Kellnerin war sie nicht beschlagen genug. Schnell versicherte sie der frisch eingetroffenen Reisenden eine gute Unterkunft und überließ sie der gewiss angenehmen Gesellschaft ihres Mannes, um endlich wie ersehnt zur Schneiderei zu laufen.

Die römische Schneiderin hatte ihren Vorsprung gut genutzt und die Tunika kunstvoll auf einer Stoffpuppe drapiert. Es verschlug ihr die Sprache. Dieser edle Stoff mit der schlichten, aber eleganten Färbung, der so sanft über die Halterung floss. Der Schnitt der für Agapes Verhältnisse geradezu züchtig war, aber dennoch deutlich die Figur der Trägerin betonen und mit gerade noch gesellschaftstauglichen Einblicken deren Vorzüge hervorhoben würde.
Respektvoll wischte sie ihre fettbesudelten Hände an einem von Maja gereichten Tuch ab, bevor sie sich auszog um in dieses Prachtstück hineinzuschlüpfen. Und es passte perfekt. Wer hätte gedacht das sie und die Hetäre eine ähnliche Figur hatten? Ungläubig starrte sie auf den gewagten Ausschnitt und den raffinierten Schnitt. Maja hatte wirklich ganze Arbeit geleistet, das Gewand war einfach traumhaft.
"Keine Widerrede. Ich schenke sie dir, sieh es als Hochzeitsgeschenk an" Die Wirtin konnte ihr Glück nicht fassen. Noch nie in ihrem Leben hatte sie etwas so kunstvolles besessen... und die Ideen welche Maja zu den schlichteren Alltagsgewändern äußerte klangen großartig.

Sie war so voller Vorfreude das sie ihr altes abgewetztes Gewand vergaß, als die beiden zurück zur Taverne fegten, um Majas Kunstwerk ihrem Mann und den anderen vorzuführen.
Augen weiteten sich, Unterkiefer klappten nach unten, Worte verloren sich im leeren Raum. Man konnte sagen das es einschlug wie eine Wucht. Als Quintus mühsam seine Fassung wieder errungen hatte starrte er noch einmal lange auf das gewagte Stück Schneiderhandwerk und sagte leise: "Aber das wird nicht bei der Arbeit getragen."
Doch das bekam Faba gar nicht mehr mit, war sie doch gerade im Begriff für Maja einen großen Kelch Weißwein zu holen.

Als sich die Taverne langsam leerte kam sie auch dazu, sich endlich in Ruhe ein wenig mit der frisch Eingetroffenen zu unterhalten. Lutitia Cornelia Merulae hieß sie und sowohl der Name als auch der Schnitt ihrer Kleidung deuteten auf durchaus vornehme Verhältnisse hin. Dennoch war die Frau freundlich und nett, trotz des schweren Schicksalsschlages den sie gerade hinter sich hatte. Sie war hier um auf andere Gedanken zu kommen, etwas das in einer Stadt wie Brundisium gewiss möglich wäre. Immerhin gab es ja zwei bestückte Ludi welche die Arena regelmäßig zuverlässig zu füllen wussten. Und natürlich hervorragenden Wein, speziell der aus Tarentum. Nicht ohne Hintergedanken vermietete sie der Frau eine Wohnung in der linken Insula. Es hatte den zweitbesten Meerblick (Florina hatte sich natürlich schon längst das andere gesichert) und - was nicht zu verachten war - einen freien Blick auf den Trainingshof des angrenzenden Ludus Calpurnianus. Wenn die muskulösen Männerleiber in den knappen Rüstungen die Frau nicht auf andere Gedanken bringen konnte wusste sie auch nicht weiter. Die Arme tat ihr leid. Es war furchtbar seinen Ehepartner schon so früh von der Seite gerissen zu bekommen.

Nur wenige Schritte führten sie von dem Mietshaus zum heimischen Ludus. Leise schlich sie die Treppe hinauf, nur um ihren Mann leise schnarchend im Bett vorzufinden. Wie friedlich der alte Griesgram aussah...  Jupiter verging sich an ihm? Sie schmunzelte. Da hatte sein bester Kämpfer Thalab in einem grandiosem Kampf den größten Widersacher des gegnerischen Ludus niedergerungen, obwohl fast jeder gegen ihn gewettet hatte... und er wurde es dennoch nicht leid über das Schicksal zu klagen. Ob er überhaupt wusste was die Götter einem antun konnten wenn sie es wirklich auf jemanden abgesehen hatten? Seufzend dachte sie an Terentia und die anderen Mitglieder ihrer ehemaligen Familia.

Wieder tauchten die kämpfenden Möwen vor ihr auf. Vielleicht war es ja auch nur eine Ankündigung zu dem Streit zwischen Corinus und Maja gewesen?
Sorgfältig legte sie ihre neue Kleidung ab und faltete sie  auf einem der Hocker zusammen. Dass sie Corinus Lüge unterstützte war gewiss im Sinne der beiden. Was auch immer er getan hatte, dem Ehefrieden wäre eine normale durchzechte Nacht wohl bekömmlicher. Es würde Maja nicht so verletzten wie die Alternative.

Und Corinus? Der hatte einen Riesenfehler begangen. Nicht nur das er heute mit dieser Geschichte insgesamt zwanzig Sesterzen an sie verloren hatte.. nein, er hatte sich auch verwundbar gemacht. Sie hatte ihm nur bescheinigt dass er für eine große Summe Wein konsumiert hatte, aber nicht wie lange er bei ihr blieb. Und Maja hätte eigentlich wissen müssen das ihre Taveren nie bis zum frühen Morgen geöffnet war, an dem der durchzechte Lanista endlich nach Hause gekommen war.
Unverhofft hatte ihr der schlimmste Konkurrent ihres Mannes damit eine überaus scharfe Waffe in die Hand gegeben. Es war ja nicht so, das sie diese unbedingt nutzen würde...

Aber es schadete gewiss nicht, ein scharfes Messer griffbereit zu haben.